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Mariam Mehr

Kyle Stanley

Diese Woche spricht Jana Denzel mit Kyle Stanley über sein Leben in der Zahnmedizin und warum er sich jetzt für die psychische Gesundheit in seinem Beruf einsetzt.
 

Dr. Kyle Stanley ist ein Zahnarzt aus Beverly Hills, USA. Er ist bekannt für seine Arbeit auf dem Gebiet der Ästhetik, der Zahnimplantate, des Smile-Designs und der künstlichen Intelligenz in der Zahnmedizin.

Außerdem ist er Mitbegründer von Pearl und ein wichtiger Meinungsbildner für DSD (Digital Smile Design) und arbeitet eng mit Dr. Christian Coachman an der Veränderung und Gestaltung des Lippenbildes und der Zukunft der Zahnmedizin.

Dr. Stanley ist auch ein internationaler Dozent, der Zahnärzten hilft, Stress und Burnout zu überwinden und ein erfolgreicheres und ausgeglicheneres Leben zu führen. 2015 wurde er von der American Academy of Cosmetic Dentistry als „The Next Generation of Cosmetic Dentistry“ und vom Seattle Study Club als „The Top Young Educators in Dentistry“ ausgezeichnet.

 

Bitte schildern Sie uns Ihren Hintergrund und wie Sie zur Zahnmedizin gekommen sind

Kyle Stanley: Ich bin in Südkalifornien aufgewachsen und mein Vater war Zahnarzt. Ich war schon immer sehr an der Chirurgie im Allgemeinen interessiert.

Während meines Studiums war ich Assistent in der Kieferchirurgie, was mir sehr großen Spaß bereitete. Ich habe Zahnmedizin studiert, weil ich dachte, dies wird mir die Tür zur Oralchirurgie eröffnen. Im Laufe meines Studiums lernte ich Dr. Pascal Magne kennen, der mich dazu inspirierte, mich auch mit ästhetischer Zahnmedizin zu beschäftigen.

 

Nachdem ich nach Brasilien gegangen war, um meine Implantat-Spezialisierung und meine Facharztausbildung zu absolvieren, nutzte ich meine Ausbildung bei Pascal Magne, um die ästhetische Zahnheilkunde in meine Implantatarbeit zu integrieren.

Jetzt praktiziere ich in Beverly Hills, Kalifornien, und konzentriere mich auf hochwertige Zahnheilkunde.

Wir verwenden die besten Materialien und die besten Behandlungen, ohne dass Geld oder Zeit dem Behandlungserfolg dabei im Wege stehen. Mein Freund und Kollege Dr. Miguel Stanley hat den Begriff Slow Dentistry geprägt die damit verbundenen neue Philosophie und Herangehensweise der Zahnheilkunde entwickelt.

Abgesehen von dem Alltag in der Zahnmedizin, bezeichne ich meine wichtigste Aufgabe im Leben, die eines Vaters und Ehemanns. Meine Familie steht stets über allem und an erster Stelle, noch vor der Zahnmedizin. Ich stelle mich nicht wirklich gerne als Zahnarzt vor. Stattdessen stelle ich mich immer gerne als Vater vor. Ich bin einfach ein Vater, der zufällig einen Beruf in der Zahnmedizin hat!

 
Ich höre immer wieder von ausgebrannten, gestressten und sogar suizidalen Zahnärzten. Woran liegt das? Wie kann es dazu kommen, dass Zahnärzte, die ihren Beruf so leidenschaftlich ausüben, ausbrennen? Was ist Ihrer Meinung nach die Hauptursache für die Verschlechterung der psychischen Gesundheit in der Zahnmedizin?

Kyle Stanley: Ich war genau wie die von Ihnen beschriebenen Gruppe – ein leidenschaftlicher Zahnarzt. Ich musste aber diesen leidenschaftlichen Zahnarzt in seine Schranken weisen. Ich musste sicherstellen, dass ich auch außerhalb der Zahnmedizin einen Wert habe. Deshalb sage ich immer, dass ich in erster Linie Vater bin und meine Aufgabe darin besteht, Vater zu sein. Das Zahnarzt-Sein ist “lediglich” mein Beruf. 

Um Ihre Frage zu beantworten: Es sind so viele Faktoren beteiligt.

Sie haben körperlichen Stress (Rücken-, Nacken- und Schulterschmerzen). Dazu kommt noch der Stress durch Rechtsstreitigkeiten. Und dann sind da noch die Haftung, die Personalverwaltung, die Schulden und die hohe Arbeitsbelastung. Die Zahnmedizin ist sehr detailorientiert, da wir in Zehntelmillimetern messen, was wirklich verrückt ist. Vor allem, wenn man in einem der dynamischsten Bereiche des Körpers arbeitet.

Ich habe mir etwas ausgedacht, das ich das ‚Schuldreieck‘ nenne. Hier gibt es den Arzt, dem man die Schuld geben kann, den Patienten, dem man die Schuld geben kann, und dann gibt es noch diese Drittfaktoren, denen man die Schuld geben kann, auf die aber niemand Einfluss hat.

Man kann nicht die ganze Schuld auf sich nehmen, wenn etwas schief geht. Manchmal gibt es Drittfaktoren wie Genetik, Bakterien oder Muskulatur, die wir nicht kontrollieren können.

 
Wie können wir als Zahnärzte mehr an unseren Kommunikationsfähigkeiten arbeiten?

Kyle Stanley: Durch das Besuchen von Fortbildungen bei entsprechend spezialisierten Referent*innen, und durch den steten Austausch mit anderen Kolleg*innen, die ebenfalls in dieser Angelegenheit Hilfe suchen. – Ich habe einen Fortbildungskurs namens „Light Side“ ins Leben gerufen. Das ist eine Gruppe, in der Zahnärzt*innen ihre Erfahrungen, Höhen und Tiefen austauschen und voneinander lernen können.

Wir erörtern wissenschaftlich fundierte Möglichkeiten, wie wir erkennen können, wann wir ein Problem haben, wie wir die Stressfaktoren identifizieren können, wie wir unser Ziel finden können, wie wir lernen können, mit den Stressoren umzugehen, und wie wir dann das Beste aus uns herausholen können.

Das Akronym lautet RIPLE (Dt.: Welle). Ich stelle mir gerne vor, dass man als „Lightsider“ dazu beiträgt, die psychische Gesundheit in unserem Beruf bekannt zu machen – wie die Wellen in einem Teich.

 
Woher stammt die Idee für Pearl und welche Ziele verfolgen Sie damit?

Kyle Stanley: Die Idee stammt von unserem CEO, Ophir Tanz. Er ist der Gründer eines früheren KI-Unternehmens, das sich mit Computer Vision für Medien beschäftigt hat. Computer Vision ist die Form der künstlichen Intelligenz, die es dem Computer ermöglicht, zu sehen.

Viele von uns verwenden die so genannte natürliche Sprachverarbeitung. Das ist das, was wir auf unseren iPhones haben. Wenn wir zum Beispiel Siri sagen: „Gib uns eine Wegbeschreibung zum Haus unserer Mutter“, dann hört der Computer genau das.

Bei der Computer Vision geht es darum, dem Computer beizubringen, zu sehen und zu verstehen, was in einem Bild enthalten ist.

Ophir war einer meiner Patienten. Er kam mit dieser Idee zu mir und sagte, er wolle sie in der Zahnmedizin einsetzen und fragte mich, ob ich ihm helfen wolle. Sein Vater war Zahnarzt, mein Vater war Zahnarzt – das hat uns direkt zusammengeschweißt und ich habe zugesagt!

Mir wurde klar, dass Menschen großartig sind. Aber ein Bereich, mit dem wir Probleme haben, ist die Beständigkeit. Es kann sein, dass ich am Montag eine andere Diagnose stelle als am Freitag. Wir stellen vielleicht nicht dieselbe Diagnose, wenn es vor oder nach dem Mittagessen ist, oder wenn wir gestresst oder nicht gestresst sind. Es gibt viele Studien, die dies belegen.

Die KI kann also riesige Datenmengen in Sekundenschnelle analysieren. Sie können diese Zusammenhänge erkennen und herstellen, die den Patienten eine bessere Behandlung, den Zahnärzten eine geringere Belastung im Kontext ihrer Verantwortung und allen Zahnärzten ein besseres Gesamterlebnis ermöglichen. Ich glaube, das ist die Zukunft.

Der Prozess ist dazu da, Zahnärzte zu unterstützen, nicht sie zu übernehmen. Ich bin Zahnarzt und möchte nicht etwas schaffen, das mich ersetzt! Es soll ein Hilfsmittel sein, mit dem wir die Bürde des Berufs etwas reduzieren können. Wenn Sie sich also ein Röntgenbild ansehen, wissen Sie, wonach Sie suchen müssen.

Deshalb nennen wir unser System hier ‚Second Opinion‘.

 
Was war bisher die größte Herausforderung in Ihrer Karriere und wie sind Sie damit umgegangen?

Kyle Stanley: Mit Komplikationen umzugehen, war und ist immer noch schwierig für mich.

Als ich aus der Universität kam, war mein Ego sehr groß. Und das ist immer der falsche Weg, um sich der Arbeitswelt zu nähern. Ich sprach mit den Patienten und war nicht so offen, wie ich es hätte sein sollen (ich sprach nicht über alle Komplikationen, die auftreten konnten). Als es dann zu Komplikationen kam, durchlebte ich eine sehr dunkle Zeit in der Zahnmedizin. Ich wollte aufhören, weil ich den Stress nicht mehr ertragen konnte.

Glücklicherweise konnte ich diese Phase überwinden. Dabei habe ich erkannt, wie wichtig die psychische Gesundheit ist, und ich bin ein großer Verfechter dieser Thematik. Ich möchte nicht, dass andere Zahnärzte, vor allem junge Zahnärzte, das Gleiche durchmachen müssen wie ich.

Jetzt habe ich meinen Kommunikationsstil mit den Patienten geändert und konzentriere mich auf die Komplikationen. Daran mangelte es mir in den Aufklärungen am Anfang meiner Karriere.

 
Wenn Sie die Möglichkeit hätten, mit irgendeinem Menschen auf der Welt zu Abend zu essen, egal ob bereits verstorben oder noch lebend, wen würden Sie gerne zu Gast haben und warum?

Kyle Stanley: Ich würde wahrscheinlich sagen, mit meinen Großvätern. Ich kannte sie in den ersten zwei Jahrzehnten meines Lebens, aber ich würde ihnen gerne zeigen, was wir jetzt alle tun.

Wenn ich sie noch einmal treffen könnte, würde ich sie gerne fragen, wie es war, in den Kriegen zu sein und wie das Leben damals war.

Sie waren so große Persönlichkeiten in unserer Familie. Wir sprechen immer noch über sie, obwohl sie schon seit Jahrzehnten nicht mehr hier sind. Das wäre ein Traum für mich, ein solches Erbe zu haben!

 
Abgesehen von Ihrer Familie, wofür sind Sie in Ihrem Leben am dankbarsten?

Kyle Stanley: Für meine zwischenmenschlichen Beziehungen. Ich habe das Glück, Freunde in der ganzen Welt zu haben, und konnte diese Beziehungen vor allem durch den Einsatz von Technologie aufrechterhalten.

Ich habe das Glück, in jeder größeren Stadt der Welt einen zahnärztlichen oder nicht zahnärztlichen Freund zu haben, mit dem ich zu Mittag oder zu Abend essen kann, und das liebe ich. 

 
Was war bisher Ihre größte Errungenschaft in der Zahnmedizin?

Kyle Stanley: Ich durfte auf dem Treffen des Seattle Study Club anlässlich seines 25-jährigen Bestehens sprechen. Es waren einige der größten Namen der Zahnmedizin anwesend, und ich war der jüngste Redner dort.

Es war erstaunlich, von Leuten umgeben zu sein, zu denen ich aufschaue. Es war eine Ehre, überhaupt im selben Raum wie sie zu sein.

Ich sprach über das Lippenlifting, etwas, das ich in der Welt der Zahnmedizin eingeführt habe. Das Treffen wurde „Legacy Tour“ genannt und es ging darum, wofür man in Erinnerung bleiben möchte, und damals dachte ich, es sei das Lippenlifting.

Jetzt geht es darum, die psychische Gesundheit in unserem Beruf in den Vordergrund zu rücken.

 
Abschließend zum Nachdenken: Was ist die wichtigste Lektion, die Sie aus dem letzten Jahr und der Pandemie mitnehmen können?

Kyle Stanley: Dankbarkeit. Dankbarkeit dafür, dass ich jeden Tag aufwache und noch atme, dass meine Familie gesund ist, dass ich ein Dach über dem Kopf habe.

Sich zurückzulehnen und aktiv wahrzunehmen, was wir haben, ist so wichtig.

 

Originalartikel: https://dentistry.co.uk/2021/06/30/secrets-to-success-with-dr-kyle-stanley/

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